«Was wäre, wenn…?» Die absolute Lieblingsfloskel unter allen Floskeln im Sport. Was
wäre, wenn Dzemaili damals den Ball reingestolpert hätte gegen Argentinien? Was
wäre, wenn der Schiri das Hands von Maradona gesehen hätte? Was wäre, wenn die
Frauen-Unihockeynati bei 2:6 bereits den Kopf in den Sand gesteckt und den Torhüter
nicht mehr gezogen hätte? Was wäre, wenn Köbi Kuhn Alex Frei nicht ausgewechselt
hätte vor dem Penaltydrama? Was wäre, wenn du und ich, die das hier gerade lesen
oder schreiben, nie ins Unihockeytraining gegangen wären, damals, als wir noch jung
waren? Was wäre, wenn…? «Wir werden es nie erfahren» lautet die Antwort auf diese
gleichzeitig spannende wie auch sinnbefreite Frage. Eine Frage, in der Garderobe öfter
gehört als der Hit «Freed from desire».
Was wäre, wenn… Teil 1
Nun denn, kommen wir zum sportlichen: Das Herren 1 des UHC WR spielte am 5.
Oktober die 2. Meisterschaftsrunde der noch jungen Saison in Hinwil. Aufgrund a) der
langen Absenzenliste bei Rägi und b) der ruhmreichen Titelsammlung der beiden
Kontrahenten waren für heute im Grundsatz keine Punkte budgetiert. Natürlich aber
geht ein ambitionierter Verein nie auf den Platz mit der Einstellung, keine Punkte holen
zu wollen. Shift für Shift und Kämpfen wie Löwen, so lautete die Vorgabe. Und dann
schauen, was dabei rauskommt. Als erstes durften die Zürcher gegen Blau-Gelb Cazis
ran. Ein Kleinfeld-Gigant, der zurzeit ein wenig wankt. Vor dem Duell lagen die Bündner
sogar noch punktelos hinter Rägi in der Tabelle. Und ja: auch für Rägi wären hier
Punkte drin gelegen. Wer auch immer den Bericht der Bündner schrieb und diese als
«spielbestimmend» sah, hat eventuell die Trikotfarben verwechselt. Wobei, halt! Als
«spielbestimmend» würde ich Rägi nicht gerade bezeichnen, aber definitiv als die
«aktivere Mannschaft», wie man so schön sagt. Rägi hatte viel den Ball und erspielte
sich durchaus gute Möglichkeiten. Die Tore aber erzielte in Halbzeit 1 nur der Gegner.
Zu Beginn der 2. Halbzeit eröffnete dann Pipo nach einem Zuckerpass seines fast
doppelt so alten Blockpartners das Score für den UHC WR. Und nun folgt die
sagenumworbene Frage: Was wäre, wenn…? Was wäre, wenn Rägi ein ganz klein wenig
cleverer wäre? Ja, was wäre, wenn… Eine Frage, ebenso spannend wie sinnbefreit, wie
gesagt. Cazis konterte Rägi mustergültig aus. Mehrmals lud man den Gegner zum
Kontern ein, teilweise mit – gelinde gesagt – vermeidbaren Fehlern, im Bestreben, den
Ausgleich zu erzwingen. Bis auf 1 Tor war man nämlich kurzzeitig herangekommen.
Und Kübi «the Wall» kratzte und rettete mehrmals und bewahrte so sein Team lange im
Spiel. Doch irgendwann war auch der GOAT machtlos oder gar nicht mehr im Tor, weil
man es mit 4 Feldspielern versuchte. Der Vorsprung von Cazis wuchs auf 10:3 an (ein
den Spielanteilen nicht gerecht werdendes Resultat; aber ein der Cleverness der einen
und Dummheit der anderen sehr wohl gerecht werdendes Resultat). Im 4vs3 gelang
Rägi dann noch ein wenig Resultatkosmetik (übrigens toll herausgespielte Tore,
chappeau, Herren, geht doch). Am Ende gewann Cazis, ohne an seine Grenzen gehen
zu müssen, souverän mit 10:5. Ach ja, was wäre, wenn …? (Natürlich lässt sich das auch
noch weiter spinnen: die einen fragen sich nun: was wäre, wenn der und der anwesend
gewesen wäre? Die anderen fragen sich dann aber das gleiche, denn auch Cazis hatte
viele Absenzen. Und so bleibt halt dann wieder die Antwort: Wir werden es nie
erfahren…)
Was wäre, wenn… Teil 2
Im zweiten Spiel durfte sich Rägi mit dem Schweizermeister messen. Der UHCevi
Gossau ist seit Jahrzehnten eine feste Grösse im Kleinfeldunihockey. Immerhin einmal
konnte der UHC WR die Zürcher Oberländer bisher besiegen. Um dies erneut zu
schaffen, brauchte es natürlich den fast perfekten Match. Diesen spielte man dann
auch beinahe. Kübi hielt überragend – wer auch immer im Frühling das Aufgebot für
Spanien macht: diesen Mann sollte er auf dem Zettel haben (sofern er dann auch will).
Und auch seine Vorderleute spielten sensationell. Das Spiel war total ausgeglichen und
es wurde ein hohes Tempo angeschlagen. Ein richtig «lässiges» Unihockeymätchli. Den
Zuschauenden wurde etwas geboten. Zur Pause führte Rägi mit 2:1 und das durchaus
verdient. Dass aber Gossau in der 2. Halbzeit noch einen Gang höher schalten würde,
war allen klar. Rägi hielt aber gut dagegen, musste Gossau aber je länger je mehr das
Spieldiktat überlassen. Man musste zwar zwei Gegentore hinnehmen, vermochte aber
auch wieder zu reagieren. Als Gossau dann mit 4:3 in Führung lag, kam Rägi zu einem
Konter. Sensationell gespielt, Zuckerpass von Chrischu Grill auf Pipo – und der scheitert
tatsächlich am glänzend reagierenden Gossau-Keeper (wohl auch ein Kandidat für
Spanien). Was wäre, wenn…? Was wäre, wenn Pipo den gemacht hätte? Es wäre
zumindest das (verdiente) 4:4 gewesen. So viel steht fest. So kams, wie es kommen
musste: Gossau machte das 5:3 und im Powerplay das 6:3. Rägi spielte noch ein
durchaus gutes 4vs3, ohne jedoch die letzte Durchschlagskraft – und kassierte dann
noch einen Empty Netter. So gewann Gossau dieses Spiel 7:3. Ein Spiel, das keinen
Sieger verdient hätte. Ein Unentschieden wäre das gerechte Resultat gewesen. Doch
der Sport ist selten gerecht. Er ist brutal. Und er bestraft jene, die im entscheidenden
Moment die falschen Entscheidungen treffen. Wie den UHC WR in der aktuellen
Verfassung. Was wäre, wenn…? Wir werden es nie erfahren. Wie immer ist das die
einzige Antwort auf diese Frage. Doch Rägi kann, ja soll sogar unbedingt auf der
Leistung gegen Gossau aufbauen. Es war eine starke Leistung. Einfach schlecht
belohnt.
Auch am 2. November wird die sagenumworbene Frage «was wäre, wenn…?» wieder
gestellt werden. Von wem, das bleibt allerdings noch offen! Dann geht’s nämlich in der
1. Liga KF Ostgruppe weiter.
Autor: Roman Goat Geissmann