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Der finale Bericht, Teil 4

Geschrieben am 24. März 2017 von Tobias Müller

Sonntag, 19.03.17, 12.30 Uhr 

Nun ist es soweit. Wir sitzen in der Garderobe mit dem Wissen, dass es jetzt um alles oder nichts geht. Wenn wir in 10 Minuten nach unten in die Halle gehen wird sich entscheiden, ob wir Lengnau bezwingen können oder doch den Kürzeren ziehen. 

Ich bin überaus nervös, darf dies den Jungs gegenüber aber nicht allzu fest offenbaren. Zudem sollte ich mit meiner Ansprache den Jungs etwas Ruhe mitgeben, damit sie ihr Bestes hervorrufen können und nicht verkrampfen. 

„Jungs, ich bin einfach nur stolz auf euch. Wer hätte gedacht, dass wir uns in dieser Saison so gut schlagen, dass wir jetzt hier stehen dürfen. Wer hätte gedacht, dass wir das Torverhältnis gegenüber Lengnau so aufholen, dass wir die Möglichkeit haben, den Titel zu holen. Für mich war diese Saison letzte Woche bereits beendet. Meine Ziele wurden erreicht, die ich mir und somit in euch gesetzt habe. Mein Ziel war es, euch in der persönlichen Entwicklung weiterzubringen. Euch andere Taktiken und Varianten des Spieles Unihockey weiterzugeben. Vor zwei Wochen habe ich vor unserer Runde (nochmals) das Testspiel von Anfangs der Saison angesehen. Der Unterschied zwischen damals und heute sind immens. Egal was heute noch alles passiert. Es ist eine erfolgreiche Saison und ich denke dafür können wir uns jetzt schon gratulieren.“ 

„Das alles habt ihr euch in dieser Saison erarbeitet. In jedem Training habt ihr für Probleme Lösungen gesucht und diese in die Spielweise eingebaut, habt Eure Spielweise in kleinen Schritten den Vorgaben der Trainerstaff umgesetzt, habt mit Ivan an eurer Kondition gearbeitet und dabei viele Schweisstropfen verloren. All dies hat sich nun ausbezahlt und nun erntet ihr den wohlverdienten Lohn dafür. Wir sitzen nun gemeinsam hier und dürfen miteinander all das gemeinsam geniessen. Nun wollen wir auch noch den letzten Schritt gehen und um jeden Zentimeter für einen Traum kämpfen.» 

Ein letztes Mal in dieser Saison lasse ich Al Pacino seine Rede schwingen. 

„Das mit dem Kämpfen für jeden Zentimeter und für jede Sekunde haben wir schon einmal miteinander im Final am Nuglar-Cup 2016 erlebt. 20 Sekunden vor Schluss bekommen wir den vermeintlichen Siegtreffer von Nuglar im Finale. Genau in diesem Moment, wo Philipp den Ball schnappt um noch einmal anzuspielen. Genau in diesem Moment indem er zwei Sekunden vor Schluss mit einem Schuss in Extremnis uns den Ausgleich beschert. Damals haben wir auch in der letzten Sekunde um den Sieg gekämpft. Und genau das brauchen wir heute ebenfalls. Egal was passiert, vertraut auf unser System. Mit diesem haben wir bisher am erfolgreichsten gespielt und werden es auch weiterhin tun.“ 

Mit diesen Worten überlasse ich unserem weisen Ober-Guru Dill das Wort. Er beschwört die Jungs, dass jetzt nervös zu sein genau das Richtige ist. Zum Schluss korrigiert er mich in meiner Rede mit den Worten „Es geht heute nicht um Zentimeter, es geht um Millimeter.“ Nach unserem Lied gehen wir bereit alles zu geben aus der Kabine und treten ein in eine gut besuchte Arena. 

Das Spiel begann wie erwartet. Beide Mannschaften wollten nicht zu viel riskieren da jeder Treffer in diesem Spiel ein grosser Nachteil wäre. Beide Teams haben in dieser Saison von 18 Spielen nur 45 bzw. 46 Treffer zugelassen. Somit war zu rechnen, dass dieses Spiel mit wenigen Toren entschieden wird. Taktisch waren beide Teams gut aufgestellt. Die in Lauerstellung getrimmten Teams warteten auf gegnerische Fehler, so dass sich das Spiel anfangs eher schleppend dahinzog. 

Doch mit Zeit kam…. STIMMUNG! Plötzlich kamen Heerscharen von Leuten, Fans von beiden Lagern, und verwandelten den Martinsberg in einen Hexenkessel. Auch die beiden A-Junioren Jason Berglas und Adrian Lätsch waren gekommen und nahmen die weit gereiste Trommel in Beschlag. Nun konnte man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Und dann ein riesiger Aufschrei. Joel Zweifel muss auf die Strafbank wegen überhartem Einsteigen an der Bande! 

Mein Herz wurde noch mehr in Anspruch genommen. Den imaginären Defibrillator und das Sauerstoffzelt neben mir liegend sendete ich den Boxplay-Block aufs Feld und hoffte, in den Trainings diese Situation oft genug geübt zu haben. Die Jungs machten ihre Sache sensationell. Wenige Chancen zugelassen und den Ball behalten. Ein Stein fiel mir von dem Herzen als die Strafe verstrichen und noch kein Treffer gefallen war. 

Und da wurde es wieder gehässig. Der Schiedsrichter, der die Partie nicht aus den Händen geben wollte, Pfiff sehr streng was den Körpereinsatz an der Bande anging. Durch die vielen Leute hatte man keinen Sturzraum mehr, was seine Entscheidungen rechtfertigte. Und diesmal gab er die Strafe gegen die weissen Pferde. Das ist unsere Gelegenheit. Nach kurzem Powerplay, nahm ich Jan Stehli hinaus und liess vier Spielern gegen zwei Spielen. Dies haben wir extra nochmals in einem Sondertraining gegen das B2-Team geübt. Nun war es an der Zeit, das Gelernte umzusetzen. Und die Jungs taten es. Gekonnt liessen sie den Ball laufen und suchten geduldig nach ihre Möglichkeiten. Ich schrie aus Leibeskräften, dass sie die Schnittstellen suchen sollten. Und genau das wurde auch versucht. Ein diagonaler Pass durch die Lengnauer Abwehr kam bei Philipp Lätsch an und dieser verwertete diese Chance…. AN DEN PFOSTEN! Die ganz Halle seufzte. Die einen um dies als glückhaft und die anderen an verpasste Chance Situation abzutun. 

Es war ein Spiel auf höchstem Niveau und die ganze Atmosphäre in diesem Hexenkessel gab beiden Teams weiterhin die Motivation, alles aus sich zu holen.  

Plötzlich pfiff der Schiedsrichter einen langen Pfiff. Nicht schon wieder eine Strafe. Nein, er schickte beide Teams in die Pause. Völlig verwirrt, da mir diese Halbzeit wie 5 Minuten vorkamen, gingen wir in die Kabine.  

„Das ist genau das Spiel welches ich erwartet hatte. Ihr habt super gespielt bis jetzt. Geduldig, abgeklärt und total fokussiert. Wir müssen versuchen dies so beizubehalten. Lässt euch nicht verrückt machen, spielt weiterhin so weiter und es wird funktionieren.“ 

Wieder ging der Weg nach unten und der Puls stieg rapide. Noch zwanzig Minuten und wir sind noch immer ganz nah am grossen Coup. 

Das Spiel blieb weiterhin sehr spannend. Nach einer weiteren überstandenen Strafe wurde meine Zuversicht immer grösser. Wir schaffen das. Es funktioniert; ein kleiner Angriff und dann sind wir im Glück. Ich schrie aus Leibeskräften was viele zum Lachen brachte. Der Schiedsrichter sowie die gegnerischen Spieler schmunzelten über einen Trainer der total von seinen Emotionen überwältig wurde. Besser für uns, somit konzentrieren sie sich nicht auf das Spiel. Als der Schiedsrichter aber noch zu mir kommt und mir mitteilt, dass ich auf mich aufpassen sollte, fand ich das nicht gerade die richtige Art für einen Schiedsrichter. Er pfiff eine gute Partie aber er sollte immer auf das Spielgeschehen achten und nicht auf einen Trainer. Dies machte mich nur noch lauter, was nachträglich unserem Spiel ebenfalls guttat.  

Als ich meinen Jungs nochmals Mut machen wollte spielte Niels Dill einen Zuckerpass auf Fabian Gerecke und dieser würgte mit ach und krach…. DEN BALL IN DIE MASCHEN!!!!!! 

Der Jubel war gross. Ich konnte es nicht fassen. Neun Minuten vor Schluss erreichen wir das vermeintlich unmögliche in dieser Saison. In Führung zu liegen gegen Lengnau und beim Halten dieses Spielstandes den fest geglaubten Pokal aus deren Händen zu reissen, einfach unglaublich. 

Doch es war noch nichts entschieden. Zuerst müssen wir diesen Vorsprung über die Zeit retten. Unser Ziel war weiterhin aber ohne Risiko nach vorne zu spielen und mit einem zweiten Treffer alles klar zu machen. Doch nun bockten die weissen Pferde. Der Goalie wurde hinausgenommen und ein vierter Feldspieler eingesetzt. Wir müssen standhalten, denke ich, und machte weiterhin meinen Spielern Mut.  

Nun hatte sich die Spielsituation geändert. Den Ball so lange wie möglich in unseren Reihen zu behalten hatte nun oberste Priorität. Ich hatte es gerade allen Spielern auf der Bank weitergegeben als wir einen Freistoss zugesprochen erhielten. Philipp Lätsch will diesen ausführen und ich sehe ihm an, dass er auf das leere Tor schiessen wird um den Sieg zu sichern. Ich schrie, er solle den Ball halten. NICHT SCHIESSEN, NICHT SCHIESSEN!!!  

Doch wie damals im erste Spiel der Saison hörte er nicht auf mich und schoss auf das Tor. Mit einer Prachtsparade des Lengnauer Schlussmanns, der im Hineinspringen verhindert dass der Ball über die Torlinie fliegt, vereitelt diese Grosschance.  

Philipp hatte mich bei diesem Krach in der Halle nicht rufen gehört. Nachträglich hätte ich bei der erstbesten Gelegenheit ein TimeOut nehmen sollen um die Jungs auf die neue Taktik aufmerksam zu machen. Dies wird mich noch Wochen beschäftigen und nerven. 

Ich sah es im inneren Auge bereits kommen. Vor 5 Jahren standen Patrik Wanner und ich in einer ähnlichen Situation. Unsere Mannschaft musste noch kurze Zeit überbrücken um einen verbissenen Sieg zu feiern. Auch damals gab es einen Freistoss für uns und der damalige Junior Lars Lehmann schoss auf das leere Tor, welches er jedoch nicht traf. Im Gegenzug konnte der Gegner diese Situation rächen, indem er uns mit einem Tor in letzter Sekunde ein Unentschieden zufügte. Der fehlende Punkt bedeutete damals die Entscheidung , dass wir den zweiten statt den ersten Platz belegten und nicht zur Endrunde fahren durften. 

Dies durfte sich heute einfach nicht wiederholen. Wieder nahm Lengnau den Torhüter vom Feld. Mit einem Gewaltschuss, den kein Torhüter auf der Welt gehalten hätte, schossen sich die Lengnauer ins Glück. 1:1, das hiesse Gruppensieg für Lengnau. 

Weiter unser System spielen. Sobald die Möglichkeit besteht, den Torhüter hinausnehmen und ebenfalls mit einem Spieler mehr diese Partie wieder zu kehren. Doch es kam wie es kommen musste. Mit einem blöden Ballverlust konnte Lengnau einen weiteren Treffer markieren. Die Enttäuschung auf der Bank war gross.  

Trotzdem war noch nichts verloren. Weiterhin kämpfen motivierte ich meine Jungs und sie versuchten nochmals alles.  

Als der Schlusspfiff ertönte brach für viele eine Welt zusammen. Wie nah waren wir dran. Wieso haben wir diese Führung nicht über die Zeit gerettet? 

Das Spiel war eines der Besten die ich in meiner Trainerkarriere erlebt habe. Und ich bin stolz neben einer solchen sensationellen Mannschaft an der Bande zu stehen.  

Der erste Platz ist weg. Doch können wir mit einem Sieg im zweiten Spiel noch die Qualifikation für die Regionalmeisterschaften schaffen. Hoffen wir, dass die Jungs sich trotz der Enttäuschen nochmals aufrappeln können. 

 

Fortsetzung folgt…